Aus Lilly`s Sicht
Aus meiner Sicht
Fahr mal weg, entschleunige mal… so gut gemeinte Ratschläge.
Aber ganz ehrlich, wie geht das, das Entschleunigen?
Ich denke jeder wird, wenn er es denn versucht seinen eigenen Entschleunigungsmodus finden müssen.
Dem einen tut wandern gut, der andere liegt lieber faul in der Sonne.
Aber was zum Teufel soll ich denn tun? Wandern geht zurzeit nur eingeschränkt, in der Sonne ist es mir zu heiß und zu langweilig. Die Zeiten, wo ich eine schöne Bräune einer eleganten Blässe vorgezogen habe sind dank des einsetzenden Verstandes vorbei. Meine Optionen beschränken sich im Moment auf: lass uns mit dem Bulli fahren.
Viele würden jetzt in Jubelschreie verfallen und ihre Abenteuerlust voll und ganz ausleben. Keine Konventionen (wen stört es, dass ich hier Unbefugter weise mitten im Naturschutzgebiet anhalte und campe?), Freiheit pur, Wetter? Scheiß egal, Hauptsache weg.
Soweit so gut. Wir sind dann also mal weg!
Endlich wieder Berge sehen, obwohl ich nur zwei Optionen haben, anschauen von unten oder hinauffahren. Sie mit reiner Körperkraft zu erklimmen scheidet zurzeit aus. Anderes Thema, interessiert nicht an dieser Stelle.
Eigentlich sind wir super ausgestattet. Alles was das Greenhorncamperherz benötigt ist verstaut. Ein Zelt dient als 2. Wohnzimmer 😉 wenn nun noch das Wetter mitspielen würde, es könnte so schön werden. Aber erstens kommt es immer anders, als man 2. denkt. So alte Weisheiten habe ihre Berechtigung.
Nun sitze ich also auf meiner Entschleunigungstour am Fuße eines Berges, dessen Gipfel mit Schnee bedeckt ist.
Ja, man kann es erahnen, es ist nicht warm. Es ist manchmal und besonders nachts saukalt. Im 2. Wohnzimmer ist es auch nicht gemütlich, da die Kälte nicht draußen bleiben möchte.
Und wie ich nun so zwangsweise entschleunigt werde, da man eigentlich nichts tun kann, überlege ich mir WAS ich tun kann.
Wenn mir meine Kunden von ihren Problemen mit ihrem Hund erzählen und das Wörtchen "eigentlich“ fällt, stelle ich meine Lauscher auf. Ah, jetzt wird es spannend murmelt mein limbisches System, sofort bin ich in Stimmung und meine Großhirnrinde fängt an, das Ganze rational zu verarbeiten.
Also zurück zum Thema.
Eigentlich soll ich mich erholen, und NICHTS tun. Aber mal ganz ehrlich, geht das überhaupt?
Ich könnte den neuen Roman meines Bruders lesen, was ich auch tun werde, aber doch nicht den ganzen Tag. Glücklicherweise gelang es mir meinen Laptop mit ins ach so vollgestopfte und durchstrukturierte Bulli Büsschen zu stopfen und siehe da, ich kann etwas TUN.
Schlimm?
Nein, finde ich nicht. Jeder soll doch in seinem Urlaub machen dürfen, wozu er/sie gerade Lust hat, oder?
Auf meinem Erholungsprogramm stehen einige Dinge, die ich gerne erleben möchte.
Schweinebraten mit Knödel zum Beispiel. Ja, ich weiß, das Wandern fällt weg und ich stopfe mir dicke fette Kalorien hinein! Na und? Diesen Punkt habe ich übrigens am ersten Abend unserer ach so kurzen Urlaubschallenge schon erfüllt. Lecker wars.
Mittlerweile hat es sogar aufgehört zu regnen und die Sonne kommt mal kurz vorbei. Nachdem wir gefroren und mit nassen Socken im Bulli gesessen haben, ohne Heizung (der Tank war zu leer, als dass die Standheizung mitspielen wollte) wird es wieder gemütlicher.
Kurzentschlossen haben wir mal wieder umgeräumt, Zelt vom Bulli entfernt und ab zur nächsten Tanke. Alles im Regen, egal, die Sockenwaren ja eh nass.
Wieso?
Weil wir noch absolute Greenies sind und uns noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass man, wenn man die Schuhe auszieht bevor man den Bus betritt, doch mal auf eventuelle Pfützen vor dem Bus achtgeben müsste. Passiert.
Also nun ist der Tank voll, kleine Erkundungstour gefahren, wo sind wir hier überhaupt und ab zurück zum kleinen überschaubaren Campingplatz mit rauschendem Fluß direkt vor der Zelttür.
Ich hatte erwähnt, dass wir voll ausgestatten sind?
Also erstmal Teewasser aufsetzten in einem wunderschönen fast jungfräulichen blaumetallischen Teekessel. Das Auge kocht schließlich mit.
Meine mitgebrachten Zuckerwürfel in Herzform lassen das Heißgetränk dreimal besser schmecken und dann kam noch die Sonne zum Vorschein. Gut, die Wolken reichen bis zu den Baumwipfeln, die Bergspitzen sind nicht mehr zu sehen, dafür aber auch nicht der Schnee, der es einem nun auch nicht leicht macht zu glauben, dass es warm wäre.
Das Zelt erwärmt sich langsam durch die Sonnenstrahlen.
Lilly benimmt sich diesmal ausgesprochen pfleglich.
Vielleicht liegt es auch daran, dass unser nächster Nachbar gute 30 m entfernt stehen. Das Territorium ist anscheinend nicht mehr ganz so groß. Das war auf der letzten Reise noch ganz anders. Wenn man den Zwuggel nicht gesehen hat, hören konnte man ihn auf alle Fälle.
Ein Näherkommen wäre nicht ratsam ließ ihre Tonart verlauten. Wie peinlich das manchmal war.
Aber ich bin inkognito. Kein Hinwies auf meine Tätigkeit als Hundetrainer.
Ich gebe zu, dass ich manchmal meinen Mund nicht halten kann. Aber dann hat das auch seinen Grund. Unwissenheit ist das eine, aber Dummheit, also wirklich, da gebe ich meinen Senf an passender Stelle dazu. Aber outen sollte man sich nicht, sonst kannste gleich Einzelstunden vergeben. Im Urlaub haben die Menschen nämlich Zeit, um sich mal mit ihrem Hund zu beschäftigen. Und so ein Hundetrainer nah bei, wird immer gerne genommen, pah.
Welcher Arzt schreit, kaum dass er seinen Platz auf dem Campingplatz bezogen hat: Sprechstunde ab morgen 10 Uhr, offenen Sprechstunde. Merkste selbst!
Mein Tee ist alle, die Sonne weg, der Regen setzt wieder ein. Ich geh in den Bulli.
Entschleunigen!